Es war eine kurze Dienstzeit für den Leiter der Compliance-Abteilung von SIEMENS. Laut Frankfurter Allgemeiner Zeitung vom 29.06.2006 erfolgt nach nur 6 Monaten die Trennung aus verschiedenen Gründen, kein "Teamspieler", Fremsprachenprobleme, Mängel in der Zusammenarbeit usw. Das Auswahlverfahren soll SIEMENS heute selbst kritisch beurteilen. Nicht erstmalig scheitert ein formal geeigneter Staatsdiener, wo liegt das Problem?
Vor einigen Jahren suchte ein deutscher Autohersteller den Chef seiner Konzern-Betriebssicherheit (das ist der eingedeutschte Titel) und berief einen sehr erfolgreichen ehemaligen Polizisten, ausgewiesen durch die Führung mittelgroßer Kollektive und die Bearbeitung schwieriger Fälle.
Auch dieser ehemalige Staatsdiener scheiterte an unrealistischen Vorstellungen aus der Wirtschaft, Polizeidienst, Bundeswehr oder anderer Staatsdienst garantierten quasi automatisch eine besondere Eignung. Es ist allerdings auch oft eine versteckte Notlösung gewesen, denn über lange Zeit war das Angebot in der privaten Sicherheitswirtschaft für qualifizierte Führungsaufgaben spärlich und Fortbildungsprüfungen waren oft die einzigen branchenspezifischen Möglichkeiten. Noch heute wird ein deutsches Top-5-Sicherheitsunternehmen von einer IHK-geprüften Werkschutzfachkraft geführt, die Qualifikation unterhalb der Berufsausbildung für den Leiter eines mittelgroßen Objektes, und das merkt der anspruchsvollere Kunde. Nur heute gibt es inzwischen viele Qualifizierungsmöglichkeiten für Führungspersonal, über 10 spezifische Hochschulausbildungen, auch berufsbegleitend und damit auch geeignet für ehemalige Staatsdiener zur Anpassungsqualifizierung, die man auch sehr individuell erwerben kann. Hier geht es ja nicht mehr um einen Abschluss, sondern um brachenspezifisches, ggf. internationales Fachwissen und Fähigkeiten.
Und auch die Sicherheitsbrache selbst griff in der Not auf vielfältige Ehemalige mit BW- oder Polizeikarrieren zurück. Aber diese waren sehr schnell gezwungen, zur Abwendung ihres "Unterganges" Betriebswirtschaft, Gewerberecht, angewandte Psychologie und viele Fachbereiche, die es nun einmal nur in der privaten Sicherheitswirtschaft so gibt, nachzulegen. Wenn wir das Spektrum noch erweitern, Unternehmensgründungen im Sicherheitsgewerbe durch diese "Ehemaligen" scheitern dann, wenn für die Zeit nach den nachwirkenden nutzbaren Kontakten das notwendige unternehmerische Wissen in der Qualitätsstufe, auf der man sich entwickeln möchte, nicht rechtzeitig erworben wird. Das es geht, beweisen eine Reihe erfolgreicher deutscher Sicheheitsunternehmen und Sicherheitschefs in den Privatunternehmen, aber leider nicht alle mit diesen Voraussetzungen. Zu lange ruht man sich auf Uraltausbildungen für den Staatsdienst aus. Wie letztlich das Eingangsbeispiel zeigt, der Markt reguliert Fehlgriffe, aber auf wessen Kosten?
Es gibt übrigens mehrere solcher irrtümlichen Annahmen über besondere Eignungen, geschuldet mangelnder Fachkenntnis: So vermuten viele Unternehmen, der beste Personenschützer käme aus den SEK oder gar GSG 9 usw. Nur das sind Zugriffsgruppen, vorrangig ausgebildet für das Handeln im Kollektiv, qualifizierter Schutz einzelner Personen im Alltagsprozeß gehört weder zu den primären Aufgaben noch zur Ausbildung. Den bieten LKA-Spezialisten und einige wenige ausreichend privat Ausgebildete.
Fazit: Vor derartigen Entscheidungen wäre eine Analyse des Profils für die Position genauso dienlich wie eine Information über die realistischen Voraussetzungen für eine Arbeit in der Privatwirtschaft und die individuellen Fähigkeiten, sich darauf einzustellen und was nachzuqualifizieren wäre. Das geht, sicher, aber nicht sofort und schon gar nicht in einer sofortigen Führungsposition oder wenn, dann mit begleitenden Coach. ISG hat beispielsweise für diese individuelle berufsbegleitende spezifische Befähigung mit Einarbeitung/Coach ein 6-Monate-Programm anzubieten.